Archiv der Kategorie: Arbeitsrecht

Bisher war nicht geklärt, in welchem Umfang ein Arbeitgeber dem Betriebsrat an der Gestaltung zu einem „betrieblichen Eingliederungs-Management“ (BEM) beteiligen muss. Ein BEM dient nach dem Sozialgesetzbuch IX dazu, für länger arbeitsunfähige Arbeitnehmer geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit zu schaffen und so zukünftige Fehlzeiten zu vermeiden. Der Arbeitgeber muss zunächst alle Arbeitnehmer erfassen und kontaktieren, die innerhalb der vergangenen 12 Monate mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt waren. Stimmt der Arbeitnehmer einem BEM zu (die Umsetzung eines BEM bedarf des Einverständnisses des betroffenen Arbeitnehmers), hat der Arbeitgeber dann auch den Betriebsarzt sowie den Betriebsrat zu beteiligen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates erfolgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Maßnahmen des Gesundheitsschutzes). Dies erfasst aufgrund der Rahmenvorschrift des § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX allerding nur die Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen. Dabei sollen die Möglichkeiten geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen des Arbeitgebers einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Nicht befugt zur Mitbestimmung ist der Betriebsrat bei der Frage, ob und wie der Arbeitgeber im Rahmen des BEM diese Maßnahmen umsetzt. Daher hatte das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung eine Betriebsvereinbarung für unwirksam erklärt, die aufgrund eines Einigungsstellenverfahrens zustande gekommen war. Diese sah ein sogenanntes Integrationsteam vor, das sich aus je einem Vertreter des Arbeitgebers und des Betriebsrates zusammensetzte. Dieses Gremium sollte über konkrete BEM-Maßnahmen beraten, diese dem Arbeitgeber empfehlen und auch den Prozess der Umsetzung begleiten.

Der Arbeitgeber hatte beantragte, dass die Unwirksamkeit des Spruches der Einigungsstelle festgestellt wird. Mit diesem Antrag hatte er Arbeitgeber rechtskräftig Erfolg, da die Einigungsstelle aufgrund obiger Ausführungen ihre Zuständigkeit überschritten hat.

Bereits mit Beschluss vom 13.03.2012 (1 ABR 78/10) hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass bei der Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungs-Managements die Betriebsparteien (Betriebsrat und Arbeitgeber) für jede einzelne Regelung zu prüfen haben, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht.

Änderungskündigung

Ordnet der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts eine Änderung der Arbeitsbedingungen an und spricht er zusätzliche eine darauf bezogene Änderungskündigung für den Fall aus, dass die angeordnete Änderungsmaßnahme nicht ohne eine Änderung des Arbeitsvertrages zulässig ist, kann der Arbeitnehmer – falls er zugleich die einseitige Maßnahme gerichtlich angreift – seinen Änderungsschutzantrag nach § 4 S. 2 KSchG unter die Bedingung stellen, dass über diesen nur befunden wird, wenn es nach Auffassung des Gerichts für die streitgegenständliche Maßnahme einer Vertragsänderung bedarf. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 17.12.2015 (2 AZR 304/15) entschieden. Bei dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin (Reinigungskraft) in einem Versetzungsschreiben aufgefordert, an einem anderen Arbeitsort tätig zu werden. In einem weiteren Schreiben kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und bot der Arbeitnehmerin gleichzeitig an, zu geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten. Sie habe ihre Arbeitsleistung nunmehr an einem anderen Arbeitsort zu erbringen. Im Übrigen bleibe der Arbeitsvertrag bestehen. Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass die Änderungskündigung des Arbeitgebers nicht unwirksam ist, weil diese unter eine Bedingung gestellt wurde. Ein Arbeitgeber könne eine Änderungskündigung vorsorglich im Sinne von hilfsweise und nur für den Fall erklären, dass seine Auffassung, er könne die beabsichtigte Änderung auch ohne Kündigung herbeiführen und damit begründet, die Kündigung solle nur gelten, wenn er nicht schon einseitig zu der von ihm beabsichtigten Veränderung berechtigt ist. In diesem Fall ist die Kündigung unter eine zulässige Rechtsbedingung gestellt. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer neben dem Antrag auf Feststellung, dass die „Versetzung“ unwirksam ist, seinen Änderungsschutzantrag gemäß § 4 S. 2 KSchG unter die Bedingung stellen, dass es nach Auffassung des Gerichts keiner Vertragsänderung für die vom Arbeitgeber angestrebte Versetzung bedurfte. Auch dies ist zulässig, da es sich um eine innerprozessuale Bedingung handelt.
Das BAG klärt mit dieser Entscheidung prozessuale Besonderheiten für eine in der Praxis häufig vorkommende Fallkonstellation.

Videoüberwachung

Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

Oftmals ist es in der Praxis schwierig, die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats in Konzernen eindeutig festzustellen. Dieses ist vor allem relevant, weil die betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeitsverteilung zwingend ist, d. h. originär nur einem Mitbestimmungsorgan zugewiesen werden kann. So ist nach § 58 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 BetrVG der Konzernbetriebsrat für die Behandlung von Angelegenheiten zuständig, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. Diese sogenannte originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats verlangt u. a., dass ein objektiv zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung besteht. Maßgeblich hierbei sind stets die konkreten Umstände im Konzern und in den einzelnen Unternehmen. Hierfür genügen jedoch regelmäßig nicht bloß etwa der Wunsch nach konzerneinheitlichen oder unternehmensübergreifenden Regelungen oder aber reine Aspekte der Zweckmäßigkeit.
Wie das Bundesarbeitsgericht in einer jüngeren Entscheidung zur Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats beim Einsatz von Überwachungskameras (vgl. BAG, Beschluss vom 26.01.2016, 1 ABR 68/13) festgestellt hat, hat der Konzernbetriebsrat nicht bei der Anwendung eines visuellen Aufzeichnungssystems mitzubestimmen, wenn dies ausschließlich von einem konzerneigenem Unternehmen betrieben wird und kein unternehmensübergreifender Datenaustausch erfolgt. Dies gilt selbst dann, wenn Arbeitnehmer von den eingesetzten Kameras aufgenommen werden, die im Betrieb eines anderen konzernangehörigen Unternehmens Werk- oder Dienstleistungen für ihre Vertragsarbeitgeber erbringen. Für diese bleiben auch im Konzernverbund der jeweilige Vertragsarbeitgeber und deren Betriebsräte zuständig. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung noch einmal besonders betont, dass die Regelungskompetenzverteilung des Betriebsverfassungsgesetzes zwingend ist und daher auch nicht unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten eine Verlagerung der Regelungsbefugnis von dem eigentlich originär zuständigen Betriebsrat auf den Konzernbetriebsrat erfolgen kann.

Praxishinweis:
Sofern es hier in der unternehmerischen Realität zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommt, kann es sich unter Umständen in fragwürdigen Konstellationen anbieten, über eine sogenannte Delegation nachzudenken. Insofern kann nach § 58 Abs. 2 BetrVG der Gesamtbetriebsrat den Konzernbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Genau so kann nach § 50 Abs. 2 BetrVG der Betriebsrat den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Zu beachten ist jedoch, dass eine solche Delegation immer nur von „unten nach oben“ möglich ist, jedoch nie von „oben nach unten“. So kann etwa der Konzernbetriebsrat nicht den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln, genau so wenig wie der Gesamtbetriebsrat den Betriebsrat beauftragen kann, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln.

Betriebsbedingte Kündigung

Bevor ein Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, ist er nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen freien Arbeitsplatz im Ausland anzubieten. Ein Arbeitnehmer kann sich damit zum Schutz vor einer betriebsbedingten Kündigung nicht auf freie Stellen im Ausland berufen. Diese Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.09.2015 (2 AZR 3/14) noch einmal bestätigt.

Die Arbeitgeberin, eine Bank mit Sitz in der Türkei, stellt ihren Geschäftsbetrieb in Deutschland ein. Sie kündigte dem Arbeitnehmer wegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in Deutschland entgegenstehen. Da den Geschäftsbetrieb in Deutschland vollständig geschlossen habe, gäbe es keinen Bedarf mehr für den beschäftigten Arbeitnehmer im deutsche Betrieb/in der deutschen Niederlassung, in der der Kläger bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beschäftigt war.

Gegen die Kündigung hat der Arbeitnehmer rechtzeitig die Kündigungsschutzklage erhoben. Das Bundesarbeitsgericht hält die Kündigung für gerechtfertigt. Zwar ist ein Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung in anderen – freien – Arbeitsplatz im selben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens anzubieten. Die Verpflichtung erstreckt sich jedoch grundsätzlich nicht auf Arbeitsplätze im Ausland.

Auch hat die beklagte Arbeitgeberin sich nicht in der Weise selbst gebunden, dass sie dem klagenden Arbeitnehmer kraft ihres Direktionsrechtes einen freien Arbeitsplatz in einer türkischen Filiale hätte zuweisen müssen. Zwar kann bei einer vertraglich versetzten Klausel einen Arbeitnehmer nach der Regel des Kündigungsschutzes gegebenenfalls eine freie Stellung außerhalb des Betriebes beanspruchen. Dieses setzte aber eine wirksame Klausel voraus. Die vom Arbeitgeber verwendete Klausel sei jedoch unwirksam. Der Arbeitgeber dürfe sich auch hier auf die Unwirksamkeit der Versetzungsklausel berufen. Dies sei nicht widersprüchlich im Sinne von § 242 BGB, denn der Arbeitnehmer habe eine zuvor angewiesene Versetzung ins Ausland abgelehnt. Die vom Gesetzte (§ 1 Abs. 3 KSchG) grundsätzlich geforderte Sozialauswahl war entbehrlich. Denn die Arbeitgeberin hat aufgrund der Stilllegung des Betriebes in Deutschland die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer ihres deutschen Betriebes beendet. Die Kündigungsschutzklage war damit erfolglos.

(Anwalt für Arbeitsrecht in Münster | Bussmann & Bussmann)

Nachschieben

Der Arbeitgeber kann Gründe, die er bei Ausspruch bzw. Zugang der Kündigung nicht kennt, im Kündigunsschutzprozess nachschieben; so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 18.06.2015 – 2 AZR 256/14 (Vorinstanz LAG Bremen)

Sachverhalt und Entscheidung:

Im vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen einer (Kartell-)Straftat bzw. des Verdachts einer solchen Straftat gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob hiergen die Kündigungsschutzklage. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer war streitig, ob der klagende Arbeitnehmerals Leiter eines Verkaufsbüros an Preisabsprachen mit Wettbewerbern beteiligt war. Die Beklagte hörte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses r an und sprach die Kündigung am 09.03.2011 aus. Nachdem das Bundeskartellamt in einem Bußgeldbescheid den klagenden Arbeitnhmer als mutmaßlichen Beteiligten an wettbewerbswidrigen Absprachen namentlich nannte, hörte die beklagte Arbeitgberein den Arbeitnehmerzu diesem Vorwurf an. Ferner hörte sie den vorhandenen Betriebsrat an und führte diesen neuen Sachverhalt nach Anhörung des Betriebsrats in den Rechtsstreit ein. Zusätzlich sprach sie eine weitere Kündigung aus, die Gegenstand einer anderweitigen Kündigungsschutzklage ist..

Das BAG führt aus, dass eine Verdachtskündigung begründet sein könnte und auch als ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein könnte, wenn Tatsachen vorlägen, die geeignet seien, die Fortsetzung des für das Arbeitsverhältnis erforderlichen Vertrauens zu zerstören und der Arbeitgeber zumutbare Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hätte.

Dabei seien auch die nachgeschobenen Kündigungsgründe zu beachten Für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung könne es auch auf solche Umstände ankommen, die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt noch nicht bekannt wären, aber später bekannt würden. Dies gelte jedenfalls, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Die Gründe könnten auch nachgeschoben werden, wenn sie einen neuen, weiteren Kündigungsvorwurf begründen könnten. Maßgeblich sei der Wissensstand des Kündigungsberechtigten. Bei einer juristischen Person sei dies grundsätzlich das gesetzlich oder kraft Satzung für die Kündigung zuständige Organ.

Anmerkung:

Dieser Kündigungsfall veranschaulicht die Schwierigkeiten der Ausübung eventueller Kündigungsrechte, die sich im Falle umfangreicher interner Ermittlungen und parallel dazu verlaufender behördlicher Ermittlungen – wie hier des Bundeskartellamtes und der Staatsanwaltschaft – ergeben.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stellt klar, dass Tatsachen, die vor Ausspruch der ersten Kündigung bereits vorlagen, im laufenden Kündigungsschutzprozess nachträglich vorgebracht werden können, wenn sie dem kündigungsberechtigten Organ erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt wurden.

Der Arbeitnehmer muss allerdings auch zu diesem neuen Verdacht angehört werden, damit eine Kündigung, die auf den Verdacht einer Straftat gestützt wird, wirksam ist. Ferner muss die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß durchgeführt werden. Diese zwei formalen Hürden sind in jedem Fall zu beachten bevor möglicherweise parallel zu einer neuen Kündigung Kündigungsgründe im Kündigungsschutzprozess nachgeschoben werden. Dies hat zur Folge, dass der Betriebsrat über dieselben Tatsachen anzuhören ist, um zwei verschiedene Rechtsfolgen daran zu knüpfen: Zur Begründung einer eventuellen neuen Kündigung und zur Verwertung derselben Gründe als „nachgeschobene“ Gründe in einem laufenden Kündigungsschutzverfahren.

Browserverlauf

Auswertung des Browserverlaufs ist zulässig.
Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin Brandenburg vom 14.01.2016 (5 Sa 657/15) darf eine Arbeitgeber auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers den Browserverlauf des Dienstcomputers auswerten, um festzustellen ob ein Sachverhalt vorliegt, der ihn zur Kündigung berechtigt.
Sachverhalt:
Der Arbeitgber hatte erlaubt, dass Arbeitnehmer in den Arbeitspausen privat im Internet surfen dürfen. Dagegen hatte der Arbeitnhmer an fünf von dreißig Tagen privat am Dienstrechner im Internet gesurft.
Daraufhin hatte der Arbeitgber dem Arbeitnehmer fristlos gekündigt. Mit seiner Kündigungsschutzklage war der Arneitmehmer erfolglos.
Kein Beweisverwertungsverbot:
Das LAG hält die außerordentliche Kündigung für rechtswirksam. Die unerlaubte Nutzung des Internets rechtfertige nach Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Hinsichtlich des Browserverlaufs liege kein Beweisverwertungsverbot zu Lasten des Arbeitgebers vor.
Zwar handele es sich um personenbezogene Daten, in deren Kontrolle der Arbeitnehmer nicht eingewilligt habe. Eine Verwertung der Daten sei jedoch statthaft, weil das Bundesdatenschutzgesetz eine Speicherung und Auswertung des Browserverlaufs zur Missbrauchskontrolle auch ohne eine derartige Einwilligung erlaube und der Arbeitgeber im vorliegenden Fall keine Möglichkeit gehabt habe, mit anderen Mitteln den Umfang der unerlaubten Internetnutzung nachzuweisen. Das Urtei ist noch nicht rechtskräftig. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Überwachung des Arbeitnehmers/Anmerkung:
Eine Überwachung des Arbeitnehmers ist nur ausnahmsweise zulässig. Erhebt der Arbeitgeber ungerechtfertigt Daten, kann diesesm dazu führen, dass der Beweis in einem arbeitsgerichtlichen Prozess nicht verwertet werden kann. Dieses hat das Bundesarbeitgericht (BAG) etwa für eine Krankenkontrolle durch einen Videoaufnahmen fertigenden Detektiv angenommen. Die Aufnahmen waren im Prozess nicht verwertbar. Der Arbeitgber muss sogar eine Geldentschädigung für den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnhmers zahlen (vg. BAG, Urteil vom 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13).
Datenschutzrechtliche Fragen stellen sich auch in der Verwendung von wearables, das heißt Fitnessarmbänder, Datenbrillen, RFID-Funkchips im betrieblichen Umfeld, die als neue Einfallstore für eine Überwachung angesehen werden (vgl. Kopp/Sokoll, NZA 2015, 1352).

Personalgespräch

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 01.09.2015 (7 Sa 592/14) ist ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen. Im vom Landesarbeitsgericht Nürnberg entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer erkrankt und hatte dieses gegenüber dem Arbeitgeber durch entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (sogenannte „Gelbe Scheine“) nachgewiesen. Der Arbeitgeber hatte angeordnet, dass der Arbeitnehmer während seiner Krankheit zu einem Personalgespräch in den Betriebsräumen zu erscheinen habe. Der Arbeitnehmer erschien zu dem Personalgespräch nicht. Der Arbeitgeber erteilte daraufhin eine Abmahnung. Auch zu einem weiteren vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch während des Erkrankungszeitraumes erschien der Arbeitnehmer nicht. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich. Gegen diese Kündigung erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber begründete die Kündigung damit, dass der Arbeitnehmer gegen die Weisung verstoßen habe, an einem angeordneten Personalgespräch teilzunehmen. Das LAG Nürnberg führt aus, dass die verhaltensbedingte Kündigung nicht sozial gerechtfertigt und damit unwirksam sei. Der Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet, an einem angeordneten Personalgespräch teilzunehmen. Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, ist er nicht verpflichtet, seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllen. Dies betrifft nicht nur die Pflicht zur Arbeitsleistung, sondern auch Nebenpflichten, die die Hauptleistungspflichten sichern sollen (sogenannte leistungssichernde Verhaltenspflichten wie z.B. auch Pünktlichkeit oder das Tragen angemessener Bekleidung oder die betriebliche Sozialverträglichkeit des Verhaltens). Da derartige Nebenpflichten die Funktion haben, den Arbeitsvertrag ordnungsgemäß zu erfüllen, kann die Bereitschaft eines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers, diesbezüglich Weisungen in einem Personalgespräch entgegenzunehmen, vom Arbeitgeber nicht verpflichtend gefordert werden. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts besteht unabhängig davon, was Gegenstand des Personalgespräches sein soll, während der Arbeitsunfähigkeit keine Verpflichtung an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach § 106 S. 1 GewO nach billigem Ermessen auszuüben. Es sei ja nicht erkennbar, dass der Arbeitgeber sein Ermessen in billiger Weise ausgeübt habe. So habe er schon nicht dargelegt, welches Interesse er daran gehabt habe, während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers mit diesem ein Personalgespräch zu führen.

Gegen dieses Urteil hat der Arbeitgeber Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt (Aktenzeichen: 2 AZR 855/15).

Fristlose Kündigung

Stellt ein Arbeitnehmer unerlaubt digitale Kopien am Arbeitsplatz her, berechtigt dieses den Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Darauf, ob der Arbeitnehmer sich gleichzeitig strafbar macht, kommt es nicht an.
Dieses hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 16.07.2015 (Az. 2 AZR 85/15) ausgeführt.
Gemäß § 626 Absatz I BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, NZA 2014, NZA Jahr 2014 Seite 1258 Rn. NZA Jahr 2014 Seite 1258 Randnummer 16 = NJW 2015, NJW Jahr 2015 Seite 109; BAG, NZA 2014, NZA Jahr 2014 Seite 533 = NJW 2014, NJW Jahr 2014 Seite 1323 Rn. NJW Jahr 2014 Seite 1323 Randnummer 19 mwN).
Im vom BAG entschiedenen Fall warf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der als Justizangestellter für die IT verantwortlich war, vor, er habe in mehreren Fällen unter Umgehung eines Kopierschutzes und unter Nutzung dienstlicher Ressourcen (PC etc.) urheberrechtswidrig Musik- und Audiodateien vervielfältigt. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Personalrats fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Hiergegen hatte der Arbeitnehmer rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben.
Das BAG führt aus, dass ein Arbeitgeber hat, zumal wenn es sich bei ihm um eine Justizbehörde handelt, ein offenkundiges Interesse daran, dass nicht dienstliche Rechner dazu benutzt werden, unter Umgehung eines Kopierschutzes Vervielfältigungen privat beschaffter Musik- oder Film-CDs/DVDs herzustellen. Das gilt losgelöst von der Frage, ob das Verhalten des Arbeitnhmers strafbar ist und unabhängig davon, ob die Handlungen während der Arbeitszeit vorgenommen wurden. Eine Strafbarkeit der Kopier- und Brennvorgänge oder ein damit einhergehender „Arbeitszeitbetrug“ wäre allerdings geeignet, das Gewicht des Kündigungsgrundes noch zu verstärken. Dies wiederum kann für das Erfordernis einer Abmahnung und die weitere Interessenabwägung Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus kann die dem Arbeitnehmer. angelastete zweckwidrige Verwendung von CD- und/oder DVD-Rohlingen, die auf Kosten der Arbeitgeberin bestellt wurden, als eigenständiger Kündigungsgrund Bedeutung erlangen.
Da das mit der Sache vorher befasste Landesarbeitsgericht gewisse Punkte bei den Tatsachenfeststellungen und der Beweiswürdigung nicht beachtet hat, hat das BAG den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurückverwiesen und in der Sache noch nicht entschieden.

Kreditverträge + Widerruf

Widerrufsrecht zu Immobilienkreditverträgen soll für Altverträge am 21.06.2016 erlöschen.

In den Darlehensverträgen vor allem in der Zeit zwischen dem 02.11.2002 und dem 10.06.2010 sind häufig die Widerrufsbelehrungen zu den Darlehensverträgen fehlerhaft. In diesem Fall können die Verbraucher den Darlehensvertrag nach bisheriger Rechtslage zeitlich unbeschränkt widerrufen (sog. „ewiges“ Widerrufsrecht). Sie können sich damit von teuren Darlehen ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung lösen und von den aktuell niedrigen Zinsen profitieren beziehungsweise eine gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern.
Nunmehr ist eine Gesetzesänderung zum Nachteil der Verbraucher geplant. Es ist vorgesehen, dass bei Haus-, Wohnungsdarlehen für Verbraucher das Widerrufsrecht auch bei unterbliebener oder fehlerhafter Belehrung für zwischen dem 02.11.2001 und 10.06.2010 geschlossene Darlehensverträge erlöschen soll. Voraussichtlich am 21. Juni 2016 soll der letzte Tag für den Widerruf sein. Das bedeutet: Kennt ein Verbraucher sein Widerrufsrecht nicht bzw. übt er es bis zu diesem Tage nicht aus, hat er kein Widerrufsrecht mehr.
Verbraucher sollten daher zeitnah ihre Darlehensverträge überprüfen lassen, ob diese (aufgrund einer fehlerhaften Belehrung) widerrufbar sind.

Ausgleichsklausel

Das BAG hat mit Urteil vom 27.05.2015 (5 AZR 137/14) entschieden, dass Ausgleichsklauseln in einem Prozessvergleich auch die Ansprüche auf equal pay erfassen.

Im vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber Kündigungsschutzklage erhoben. In diesem Kündigungsrechtsstreit einigten sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer darauf, dass das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gegen Zahlung einer Abfindung endet.

Ferner enthielt die Vereinbarung eine umfassende Ausgleichsklausel: Danach sollten sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seine Beendigung, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt sein. Der Arbeitnehmer, der bei der Arbeitgeberin, die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betrieb, verlangte daraufhin ein gleiches Arbeitsentgelt wie die Stammbelegschaft (Anspruch auf equal pay gem. § 10 Abs. 4 AÜG).

Das BAG entschied, dass dieser Anspruch auf equal pay von der Ausgleichsklausel im Prozessvergleich erfasst wird und damit erloschen ist. Derartige Ausgleichsklauseln sind für Arbeitnehmer gefährlich. Das BAG bestätigt damit seine Rechtssprechung, wonach der Arbeitnehmer mit solchen Klauseln auf bereits entstandene Ansprüche verzichtet und die entsprechenden Ansprüche erlöschen. Dies hat das BAG auch für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung so entschieden (BAG, 14.05.2013 – 9 AZR 844/11). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Anspruch auf equal pay im Vorhinein (vor Entstehung) beschränkt oder ausgeschlossen wird. Diesem steht zwingendes Recht entgegen.

(Anwalt für Arbeitsrecht in Münster | Bussmann & Bussmann)