Archiv der Kategorie: Arbeitsrecht

Kündigungsfrist

Eine Kündigungsfrist von mehr als sechs Monaten in der Satzung eines Arbeitgeberverbandes für den Austritt eines Mitglieds ist zu lang. Dieses hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 29.07.2014 (II ZR 243/13) entschieden. Die Satzung des Arbeitgeberverbandes sah vor, dass die Mitglieder den Austritt aus dem Verband mittels Kündigung zum 31.12. eines Jahres zum 31.12. des nächsten Jahres erklären konnten. Diese Frist erachtet der BGH für zu lang. Sie sei nicht mit dem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG (Grundgesetz) vereinbar. Diese führe allerdings nicht zur kompletten Unwirksamkeit der Satzungsregelung. Zulässig sei eine Kündigungsfrist von sechs Monaten. In diesem Umfang bleibe die Satzung aufrechterhalten.

Der BGH überträgt insoweit seine Rechtsprechung zu zulässigen Kündigungsfristen für den Austritt von Mitgliedern aus Gewerkschaften/Arbeitnehmervereinigungen auf die Arbeitgeberverbände.

Vollmacht

Kündigungen müssen durch den Arbeitgeber als Vertragspartner des Arbeitnehmers erklärt werden. Bei Einzelfirmen ist das in der Regel der Firmeninhaber. Bei juristischen Personen (zum Beispiel GmbH, AG) wir der Arbeitgeber/die juristische Person durch den gesetzlichen Vertreter (Vorstand, Geschäftsführer) vertreten. Zu Problemen kann es kommen, wenn etwa mehrere gesetzliche Vertreter, zum Beispiel Geschäftsführer, die Gesellschaft (zum Beispiel GmbH) nur gemeinsam vertreten können. Erklärt nur ein Vertreter/Geschäftsführer die Kündigung, und ist dieser Kündigung eine schriftliche Vollmacht/Ermächtigungserklärung des anderen gesetzlichen Vertreters nicht beigefügt, kann der Arbeitnehmer die Kündigung mangels Vorlage einer entsprechenden Urkunde gemäß § 174 BGB zurückweisen (BAG, 18.12.1980- 2 AZR 980/78).
Auch bei Personengesellschaften als Arbeitgeber, zum Beispiel einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, kann es zu Problemen kommen, da nach dem Gesetz (§ 714 BGB) grundsätzlich sämtliche Gesellschafter gemeinsam die GbR vertreten. Hier sollten sicherheitshalber sämtliche Gesellschafter die Kündigung unterzeichnen.
In der Praxis – gerade bei größeren Unternehmen – erklären häufig Bevollmächtigte die Kündigung. Ein Prokurist oder der Leiter der Personalabteilung sind regelmäßig als vom Arbeitgeber zur Erklärung der Kündigung bevollmächtigt anzusehen. Diese brauchen daher bei der Kündigung grundsätzlich keine schriftliche Originalvollmacht des Arbeitgebers beizufügen (vgl. BAG DB 1992, 895 für den Prokuristen, BAG NJW 1993, 1296 für den Leiter der Personalabteilung). Dieses gilt nicht ohne Weiteres für den Sachbearbeiter in der Personalabteilung oder den kaufmännischen Leiter.
Erklärt ein Bevollmächtigter die Kündigung (etwa auch der Anwalt) muss der Kündigung eine Vollmacht im Original beigefügt sein. Eine Kopie genügt nicht. Ist das nicht der Fall, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, die Kündigung mangels Vorlage einer Originalvollmacht gemäß § 174 S. 2 BGB zurückzuweisenn. Dieses muss unverzüglich sein. Das BAG hat entschieden, dass eine Woche zu lang ist (BAG NZA 2012, 495).

Soll etwa das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin enden soll, kann es für den Arbeitgeber misslich sein, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung durch einen Bevollmächtigten mangels Vorlage einer Originalvollmacht rechtzeitig zurückweist, und er dann eine erneute Kündigung nicht rechtzeitig zum avisierten Vertragsende aussprechen kann.

Gehalt und Abgaben

Übernimmt der Arbeitgeber Bußgelder und Verwarnungsgelder des Arbeitnehmers, ist dieses steuerpflichtiger Arbeitslohn (BFH, 14.11.2013, VI ZR 36/12). Ferner handelt es sich hierbei sozialversicherungsrechtlich um Entgelt (so die Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 9. April 2014). Das heißt, hierauf sind sowohl die Lohnsteuer als auch die Sozialabgaben (insbesondere zur Krankenversicherung, Rentenversicherung) vom Arbeitnehmer zu zahlen bzw. vom Arbeitgeber abzuführen. Auf die Frage, ob der Arbeitgeber die Bußgelder im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse übernahm, kommt es nicht an (Beispiel: Das Speditionsunternehmen übernimmt Bußgelder bei Verstößen seiner Mitarbeiter gegen Lenk- und Ruhezeiten).

Abmahnung

Ein unfreundliches Verhalten am Arbeitsplatz kann ein Grund für eine wirksame Abmahnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber sein. Dieses hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einem Urteil vom 20. Mai 2014 (Az.: 2 Sa 17/14) entschieden.Der Arbeitnehmer war als Ausbildungsberater beschäftigt. Eine E-Mail-Anfrage eines an einer Meisterfortbildung teilnehmenden Handwerkers zu einer mündlichen Prüfung hatte der Arbeitnehmer wie folgt beantwortet: Es dürfe “eigentlich selbstverständlich sein, dass man sich dort anmeldet, wo man sich auch zur schriftlichen Prüfung angemeldet hat. Dass Anmeldungen nicht auf Zuruf erfolgen können, sollte jedenfalls klar sein.” Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung. Der Arbeitnehmer antwortete im Weiteren: “Nach heute ca. 20 Anrufen von angehenden Anrufen bleibt die Freundlichkeit einfach aus.”
Der Arbeitgeber mahnte den Arbeitnehmer wegen dieser Unfreundlichkeit ab. Das LAG Schleswig Holstein entschied wie die Vorinstanz, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte habe. Ein solcher Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder zu unbestimmt ist, unrichtige Tatsachen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Einordnung des Verhaltens beruht oder unverhältnismäßig ist.
Die beiden Instanzen führten aus, dass es zu den Aufgaben des Berufsberaters gehörte, mit Kunden/Handwerkern zu kommunizieren. Der Arbeitgeber durfte berechtigt fordern, dass dies von den Gesprächspartnern nicht als unfreundlich empfunden wird. Der Berater repräsentiere schließlich auch seinen Arbeitgeber nach außen hin. Die Abmahnung erachteten die Arbeitsrichter auch nicht als Bagatelle und damit als unverhältnismäßig.

Möglicherweise hätte ein westfälischer möppelköppiger Arbeitsrichter sie Sache anders entschieden.

Kündigungsschutz

Ausgangsfall:
A ist Chirurgin in Vollzeit Klinik „Glückauf.“ Auf ihr Arbeitsverhältnis, welches seit dem 01.04.2008 besteht, finden die gesetzlichen Kündigungsfristen für beide Seiten sowie das Kündigungsschutzgesetz (KSchG – Auszug anbei -) Anwendung. Der monatliche Durchschnittsverdienst von A beträgt 8.000,00 € brutto. In der Klinik ist zudem ein Betriebsrat etabliert.
In jüngerer Zeit haben sich verschiedentlich Patienten der Klinik über A und ihren barschen, unfreundlichen Umgangston im Rahmen der Behandlungen von Patienten beschwert. Der letzte schwerwiegende Vorfall, wobei zuvor bereits innerhalb eines Jahres bereits zu 2 gleichgelagerten Abmahnungen gekommen ist, datiert vom 02.10.2013. Im Verlauf einer Behandlung beschimpfte A einen schwer adipösen Patienten P als „fette Sau, dem man einmal die Speckschwarten vollständig abschneiden müsse, damit er sich wieder unter die Menschheit trauen dürfe.“ P, völlig außer sich, beschwert sich umgehend über das ungebührende und beleidigende Verhalten beim chirurgischen Chefarzt Prof. Dr. C. Dieser, ganz um seinen guten Ruf und das der Klinik durch das Verhalten der A fürchtend, da er weiß, dass es sich bei dem P um eine Mitarbeiter der Lokalredaktion handelt, insistiert in der Personalabteilung der Klinik noch am selben Tag bei der dort seit kurzem beschäftigten Praktikantin, Frau Sorglos, (S) auf einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. S, die sich von C unter Druck gesetzt fühlt und gerne ihren Handlungseifer unter Beweis stellen möchte, bestellt darauf hin die A ebenfalls noch am selben Tag zu einem Gespräch ein.
Im Rahmen des Gesprächs am 02.10.2013 konfrontiert S die A mit dem Vorfall und erklärt der A sodann gegenüber folgendes: „Ihr Verhalten ist offensichtlich inakzeptabel. Ihr Arbeitsverhältnis ist hiermit zum 30.11.2013 gekündigt. Bis dahin werden sie freigestellt.“ Hierauf erwidert die A nur, man könne ihr gar nichts, sie habe vor 4 Monaten einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt.
Als die S der Personalleiterin noch am selben Tage von dem Vorfall erzählt, ist diese ganz außer sich, weil die S hier ohne Rücksprache mit ihr gehandelt habe und sie für solche Dinge zuständig. Der PL kommen Bedenken und diese spricht, nach dem sie den Betriebsrat fristgerecht angehört hat, eine schriftliche außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.11.2013 aus. Der Kündigungstext lautet: „Hiermit kündigen wir ihr Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 15.11.2013.“ Die Kündigung erreicht die A am Freitag, 18.10.2013 um 10.00 Uhr auf dem Postwege in ihrem Briefkasten. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die A jedoch, alleinstehend, bis zum 15.11.2013 im Auslandsurlaub. Am Freitag, 22.11.2013 geht beim Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage ein, mit welchem sich die A sowohl gegen Kündigung im Gespräch vom 02.10.2014 als auch gegen die Kündigung vom 18.10.2014 wendet. Am 25.11.2014 wird der A zudem ein Bescheid der Fürsorgestelle zugestellt, mit welchem bei ihr ein GdB von 50 festgestellt wird. Über den Antrag war die Klinik bereits vor 2 Monaten von der A informiert worden.

Ausgangsfall (Teilgruppen 1 und 2):
Besteht für die erhobene Kündigungsschutzklage der A
Teilgruppe 1: gegen die Kündigung vom 02.10.2013,
Teilgruppe 2: gegen die am 18.10.2013 zugegangene Kündigung
Aussicht auf Erfolg? Bitte legen Sie hierbei Ihren Schwerpunkt auf die einzuhaltenden formellen Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) im Rahmen einer Kündigungsschutzklage, insbes. nach den §§ 4 bis 7 KSchG und weniger auf die Frage, ob rechtlich ein Kündigungsgrund seitens der Klinik vorlag.

1. Abwandlung (Teilgruppe 1):
Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses hat die A im Rahmen der Verhandlung im Kammertermin geäußert, dass es sich bei der Klinik ohnehin um einen „profitgeilen Arbeitgeber handle, der Ärzte aus diesem Grunde anweise, medizinisch nicht indizierte Operationen durchzuführen.“
Welche Möglichkeiten hat hier die Klinik, die mit der A keinesfalls mehr zusammenarbeiten möchte und wie sind die Erfolgsaussichten?

2. Abwandlung (Teilgruppe 2):
Das Arbeitsgericht hat Kammertermin erst in 6 Monaten nach dem Gütetermin anberaumt. Kurz im Anschluss an den Gütetermin hat die Klinik der A telefonisch mitgeteilt, sie solle doch bis zum Kammertermin erst einmal in der Klinik weiterarbeiten, da man sie so wenigstens für die Bezahlung noch eine Gegenleistung erhalte. Daraufhin hat die A am Tage nach der Mitteilung ihre Tätigkeit wieder aufgenommen.
Was hat die Klinik bezweckt und war das Vorgehen sinnvoll?

Lösungen:
Ausgangsfall:
Teilgruppe 1: Kündigung vom 02.10.2013
Klageerhebung 22.11.2014: Klagefrist nach § 4 KSchG von 3 Wochen eingehalten?
Rechtsfolge nicht rechtzeitiger Klageerhebung: Gesetzliche Vermutung der Wirksamkeit, sog. Fiktion, § 7 KSchG.
Zugang unter Anwesenden: geht in der Regel sofort zu (vgl. BAG NZA 2005, 513).
§ 4 KSchG: Schriftliche Kündigung. Schriftform (§ 623 BGB) erforderlich, nur dann läuft die 3-Wochen-Frist. Zudem beginnt die Frist nicht zu laufen, wenn die Kündigung dem Arbeitgeber nicht zurechenbar ist (etwa Ausspruch durch vollmachtlosen Vertreter oder Nichtberechtigten). Dann läuft die 3-Wochen-Frist erst mit dem Zugang der Genehmigung beim AN (vgl. BAG NZA 2009, 1146). Unwirksamkeit kann bis zur Grenze der Verwirkung geltend gemacht werden.
§ 4 S. 4 KSchG: Kündigung bedarf nach § 91 i.V.m. § 85 SGB IX Zustimmung des Integrationsamtes. 3-Wochen-Frist läuft nicht, weil behördliches Zustimmung (Integrationsamt) erforderlich. Unwirksamkeit kann bis zur Grenze der Verwirkung geltend gemacht werden (vgl. BAG NZA 2008, 1055).
Materieller Kündigungsgrund: § 626 BGB (+).
Aber § 134 BGB i.V.m. §§ 91, 85 SGB IX: Kündigung mangels vorheriger Zustimmung Integrationsamt nichtig. Zudem nichtig nach § 134 BGB i.V.m. § 623 BGB mangels Einhaltung der Schriftform. Zudem keine bzw. keine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. Daher auch deswegen unwirksam.
Kündigungsschutzklage hat Aussicht auf Erfolg.

Teilgruppe 2: Kündigung vom 18.10.2013
Klageerhebung 22.11.2014: Klagefrist nach § 4 KSchG von 3 Wochen eingehalten?
Rechtsfolge nicht rechtzeitiger Klageerhebung: Gesetzliche Vermutung der Wirksamkeit, sog. Fiktion, § 7 KSchG
Zugang unter Abwesenden: § 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Wenn Kündigung derart in den Machtbereich gelangt, dass nach den gewöhnlichen Umständen mit Kenntniserlangung zu rechnen ist. Kündigungsschreiben geht auch während Urlaub zu, selbst wenn der Arbeitgeber von der Urlausabwesenheit Kenntnis hat. Zugang hier 18.10.2013.
Fristablauf für Kündigungsschutzklage daher 10.11.2013
§ 5 KSchG: Nachträgliche Klagezulassung. Unverschuldetes Versäumen der 3-Wochen-Frist. Strenger Verschuldensmaßstab. Bei Urlaub in der Regel unverschuldet (vgl. BAG NZA 2004, 1330). Innerhalb von 2 Wochen nach Hindernisbehebung. Hier rechtzeitig, weil Urlaubsrückkehr am 15.11.2013 (= Hindernisbehebung) und Klageerhebung am 22.11.2013.
§ 4 S. 4 KSchG: Kündigung bedarf nach § 91 i.V.m. § 85 SGB IX Zustimmung des Integrationsamtes. 3-Wochen-Frist läuft nicht, weil behördliches Zustimmung (Integrationsamt) erforderlich. Unwirksamkeit kann bis zur Grenze der Verwirkung geltend gemacht werden (vgl. BAG NZA 2008, 1055).
Kündigungserklärung der hilfsweisen Kündigung problematisch, weil ggf. fixer Endtermin, der integraler Bestandteil der Kündigung ist (vgl. BAG NZA 2010, 1409).
Materieller Kündigungsgrund fristlose Kündigung : § 626 BGB (+), hilfsweise verhaltensbedingte Kündigung § 1 Abs. 2 KSchG (+), aber falsche Kündigungsfrist (vgl. § 622 Abs. 2 BGB), da hier gesetzliche Kündigungsfristen gelten.
Aber § 134 BGB i.V.m. §§ 91, 85 SGB IX: Kündigung mangels vorheriger Zustimmung Integrationsamt nichtig.
Kündigungsschutzklage hat Aussicht auf Erfolg.

1. Abwandlung (Teilgruppe 1):
Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nach § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG durch entsprechenden Auflösungsantrag des Arbeitgebers, da es keinen allgemeinen Abfindungsanspruch gibt?
Bei außerordentlicher Kündigung Auflösungsantrag des Arbeitgebers nicht vorgesehen (vgl. § 13 Abs. 1 S. 3 KSchG).
Auflösungsantrag ordentliche Kündigung: Eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht zu erwarten (vgl. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG; Bsp.: Beleidigungen, ehrverletzende Äußerungen. Keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder betriebliche Gegebenheiten wie Wegfall des Beschäftigungsbedarfs). Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung.
Nach Rechtsprechung Auflösungsantrag des Arbeitgebers jedoch nur, wenn Kündigung ausschließlich wegen der Sozialwidrigkeit (vgl. § 1 Abs. 2 KSchG) unwirksam ist und nicht auch aus anderen (tragenden) Gründen. Hier beide Kündigungen nach § 134 BGB nichtig sowie Kündigung vom 02.10.2013 zudem mangels vorheriger Anhörung Betriebsrat nach § 102 BetrVG unwirksam. Somit Auflösungsantrag ohne Erfolgsaussichten.
Ansonsten (Bei Begründetheit des Auflösungsantrags) Höchstgrenzen des § 10 KSchG. Bemessungsfaktor in der Regel 0,5 pro Beschäftigungsjahr.
Ggf. (neuer) Kündigungssachverhalt für Kündigung (ggf. fristlos) oder in Ausnahmefällen Nachschieben von Kündigungsgründen (komplex).

2. Abwandlung (Teilgruppe 2):
Annahmeverzugsrisiko für Arbeitgeber (steigend mit Prozessdauer). Durch Kündigung gerät der Arbeitgeber regelmäßig in Annahmeverzug (§ 615 i.V.m. §§ 293 ff. BGB) = „Lohn ohne Arbeit“
Freiwillige Prozessbeschäftigung: TzbfG gilt, insbes. auch Einhaltung Schriftform. Anderenfalls Gefahr eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
Taktische Sinnhaftigkeit im Hinblick auf Kündigungsrund? Insbes. eher bei personenbedingter Kündigung. Bei betriebsbedingter oder verhaltensbedingter Kündigung in der Regel (faktischer) Widerspruch zum Kündigungsgrund.

Praktikumsvertrag

Es ist viel die Sprache von der “Generation Praktikum”. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschied als Berufungsgericht folgenden arbeitsrechtlichen Fall. Die Klägerin bewarb sich bei dem beklagten Supermarkt um eine Ausbildungsstelle zur Verkäuferin. Sie vereinbarte stattdessen mit dem Supermarkt, ein Praktikum durchzuführen und schloss mit diesem einen Vertrag über ein Praktikum. Nach diesem Vertrag sollte die Klägerin, einen Einblick in die Arbeitswelt einer Verkäuferin erhalten sowie Grundkenntnisse über das Berufsbild erlangen. Die Klägerin war für etwas mehr als acht Monate für den Supermarkt tätig. Sie verrichtete dabei auch die Aufgaben einer regulären Verkäuferin. Parallel zahlte ihr die Bundesagentur für Arbeit eine Ausbildungsbeihilfe. Ferner erhielt sie von dem Bildungszentrum des Handels e.V. einen Fahrtkostenzuschuss. Mit der Klage machte die “Praktikantin” ihren tariflichen Stundenlohn als Arbeitsvergütung geltend. Anders als die Vorinstanz (Arbeitsgericht Bochum) wies das LAG Hamm mit Urteil vom 17.10.2014 (Az.: 1 Sa 664/14) die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch, weil ein vergütungspflichtiges Arbeitsverhältnis nicht bestünde. Sie habe zwar teilweise regulär gearbeitet. Dieses sei jedoch im Rahmen eines berufsvorbereitenden Praktikums erfolgt. Sie habe Leistungen der Arbeitsförderung (Bundesagentur für Arbeit) bezogen. Insgesamt handele es sich um ein sozialversicherungsrechtlich geprägtes Praktikantenverhältnis. Bei einem solchen bestünden keine Lohnansprüche.

Lohnanfechtung

Eröffnet das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers, stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Insolvenzverwalter Lohnzahlungen anfechten und vom Arbeitnehmer zurückfordern kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 10.Juli 2014 (Az.: IX ZR 192/13) entschieden, dass der Insolvenzverwalter die Lohnzahlungen nicht zurückfordern kann, die 30 Tage nach Fälligkeit erfolgen. In diesen Fälle läge ein sogenanntes Bargeschäft (§ 142 InsO) vor. Danach kann der Insolvenzverwalter grds. nicht solche Leistungen (also Gehaltszahlungen) anfechten, für die eine unmittelbare Gegenleistung (also die Arbeitsleistung) in das Vermögen des Insolvenzschuldners (Arbeitgebers) gelangt. Hierfür verlangt die Rechtsprechung einen engen zeitlichen Zusammenhang. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist das für Lohnzahlungen der Fall, die der Arbeitnehmer in den drei Monaten vor der Krise des Arbeitgebers bezieht (BAG, 06.10.2011, 6 AZR 262/10). Der Bundesgerichtshof hält diesen Zeitraum für zu lang. Er wendet insoweit einen Zeitraum von 30 Tagen an. Diesen Zeitraum legt er auch für andere Vergütungen (zum Beispiel bei der Anwaltsvergütung) zugrunde. Es bestünde kein Bedürfnis, Arbeitnehmer zu bevorzugen. Für Lohnausfälle drei Monate vor Insolvenzeröffnung würde auch Insolvenzausfallgeld gezahlt.

Für die Praxis herrscht damit keine Klarheit, für welchen Zeitraum ein Bargeschäft vorliegt, und der Insolvenzverwalter Lohnzahlungen nicht anfechten kann. Sind es 30 Tage (so der BGH) oder sind es 90 Tage (so das BAG)? Zu beachten ist, dass nach einem Beschluss des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe sind die Arbeitsgerichte, und nicht die Zivilgerichte (also etwa das Amtsgericht/Landgericht) für Anfechtungsstreitigkeiten zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Arbeitnehmer zuständig. Dieser sollte nunmehr auch klären, für welchen Zeitraum das sog. Bargeschäftsprivileg bei Lohnzahlungen greift.

Tarifeinheit

Bundesarbeitsministerin Nahles plant ein Gesetz zur Tarifeinheit. Der Entwurf des Gesetzes sieht vor, dass in einem Betrieb für eine Berufsgruppe nicht mehrere Tarifverträge gelten dürfen, die voneinander abweichen. Klären die Tarifpartner (Arbeitgeber/Arbeitgeberverband einerseits und die Gewerkschaft andererseits) nicht, welche Gewerkschaft für die jeweilige Berufsgruppe zuständig ist, greift die Mehrheitsregel. Es gelten dann die Regeln des Tarifvertrages der Gewerkschaft, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Der Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft gilt dann nicht.
Anlass sind die Tarifkonflikte etwa bei der Deutschen Bahn oder bei der Lufthansa. Seit jeher ist bei der Bahn die EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) für die Zugbegleiter (Schaffner) zuständig. Nun fordert die kleinere Gewerkschaft GDL, die vornehmlich die Lokomotivführer vertritt, für die bei ihr organisierten Zugbegleiter einen eigenen Tarifvertrag mit anderen Regelungen.
Hintergrund ist auch die geänderte Rechtsprechnung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Früher hatte das BAG entschieden, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag gelten könne (“ein Betrieb ein Tarifvertrag”). Diesen Grundsatz der Tarifeinheit hat das BAG in seinem Urteil vom 07.07.2010 (Az. 4 AZR 549/08) aufgegeben. Damit können in einem Betrieb mehrere Tarifverträge (unterschiedlicher Gewerkschaften) gelten.
Mit dem Gesetz will das Arbeitsministerium angeblich nicht das Streikrecht der kleineren Gewerkschaften begrenzen. Diesen sollen nach wie vor streiken können, wenn sie auch nur die Minderheit der Arbeitnehmer in einem Betrieb vertreten. Ob ein Streik zulässig sei, wird auch weiterhin durch die Arbeitsgerichte abgewogen. Die Arbeitsgerichte könnten jedoch einen Streik für unverhältnismäßig und damit für rechtswidrig erklären, wenn der streitige Tarifvertrag (da er nur eine Minderheit beträfe) nicht angewandt werden könnte.
Kritiker wie etwa die Pilotenvereinigung Cockpit – bekannt durch ihre Streiks bei der Lufthansa – werfen Arbeitsministerin Nahles vor, damit zu vernebeln, dass Sie damit in Wahrheit das Streikrecht einschränken und die Arbeitsgerichte hierfür zu ihrem Werkzeug machen wolle. Die Pläne liefen auf eine Einheitsgewerkschaft hinaus. Auch liefere sie keine praktikable Abgrenzungen für die Frage, wann ein Betrieb vorliege.
Arbeitgeber begrüßen den Gesetzesvorschlag. Der (Macht-)kampf zwischen den Gewerkschaften dürfe nicht auf Kosten der Arbeitgeber ausgetragen werden. Es sei auch nicht gerecht, dass für gleiche Arbeitnehmer unterschiedliche Tarifverträge und damit etwa unterschiedliche Löhne trotz gleicher Arbeit gelten.
Kommt das Gesetz, wird sicher hier das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsgemäßheit (etwaige Verletzung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit) im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde oder Richtervorlage entscheiden.

Unterlassungsklage

Verletzt der Betriebsrat die Betriebsverfassung, kann der Arbeitgeber hiergegen nicht mit einer Unterlassungsklage vorgehen. Er kann nur feststellen lassen, dass der Betriebsrat betriebsverfassungswidrig gehandelt hat.
Dieses hat das Bundesarbeitsgericht(BAG) in einer Entscheidung vom 28. Mai 2014 (Az.: 7 ABR 36/12) ausgeführt.
In einem Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 103 BetrVG schloss das Unternehmen mit einem Betriebsratsmitglied einen Vergleich. Dieses verpflichtete sich, sein Betriebsratsamt niederzulegen. Nachfolgend saß es gleichwohl für den Betriebsrat in Einigungsstellen als Beisitzer. Der Arbeitgeber verlangte von dem Betriebsratsmitglied, dieses zu unterlassen. Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber gegen den Betriebsrat keine entsprechenden Anspruch auf Unterlassung habe. Einen solchen Anspruch sehe das Gesetz nur für den Betriebsrat bei betriebverfassungswidrigem Verhalten des Arbeitgebers, nicht aber im umgekehrten Fall, vor (§ 23 BetrVG). Der Arbeitgeber könne ein rechtmäßiges Verhalten des Betriebsrates nur in einem Feststellungsverfahren (im einstweiligen Rechtsschutz ggfs. mittels einer sog. Feststellungsverfügung gemäß § 940 ZPO) klären lassen.

Die Entscheidung bestätigt insoweit einen Nachteil des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat. Während der Betriebsrat häufig wirkungsvoll unerlaubte Handlungen des Arbeitgebers mit einer einstweiligen Verfügung unterbinden kann, hat der Arbeitgeber dieses Mittel nicht.

Kopftuchverbot

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 24. September 2014 entschieden, dass einer Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung untersagt werden könne, ein islamisches Kopftuch zu tragen. Die Arbeitnehmerin ist als Krankenschwester beschäftigt. Sie war arbeitsunfähig erkrankt. Nach Ende der Krankheit teilte sie mit, dass sie an den Arbeitsplatz zurückkehren wolle. Sie wolle dabei auch das islamische Kopftuch tragen, da ihr Glaube ihr dieses so vorschreibe. Der Arbeitgeber lehnte dieses Arbeitsangebot ab. Er zahlte nach dem Grundsatz “ohne Arbeit kein Lohn” kein Gehalt an die Arbeitnehmerin. Diese klagte ihr Gehalt ein. Sie meinte, Sie habe ihre Arbeitskraft ordnungsgemäß angeboten. Der Arbeitgeber befände sich im sogenannten Annahmeverzug. Er sei daher auch (nachträglich) zur Zahlung des Gehaltes verpflichtet, obwohl sie nicht gearbeitet habe.
Das BAG entschied, dass eine Arbeitnehmerin sich in einer kirchlichen (hier evangelischen) Einrichtung grds. (religiös) neutral verhalten müsse. Hiermit sei das Tragen eines Kopftuches, mit welchem die Arbeitnehmerin sich zum islamischen Glauben bekenne, nicht vereinbar.

Das BAG hat den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen. Zum einen muss tatsächlich noch aufgeklärt werden, ob die Arbeitgeberin zur evangelischen Kirche gehört. Zum anderen hatte die Arbeitnehmerin auch erklärt, sie nehme die Arbeit nur auf Basis eines von ihrem Arzt verstellten Plans zur Wiedereingliederung auf. Laut BAG spräche damit einiges dafür, dass die Arbeitnehmerin Ihre geschuldete Tätigkeit als Krankenschwester nicht ausüben könne. Sie sei nicht leistungsfähig. Ist dem so, könne sie keinen Lohn vom Arbeitgeber verlangen.